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Hektorstr. 3

Hektorstr. 3

Charlottenburg-Wilmersdorf
Zwischen 1939 und 1945 lebten 66 jüdische Menschen in dem Haus. 35 von ihnen wurden von dort deportiert. Mindestens fünf jüdische Bewohner:innen der Hektorstraße 3 nahmen sich das Leben, um der Deportation zu entgehen. Einem Augenzeugen zufolge ermordeten SS-Männer einen Bewohner im Haus.

Das stattliche Wohnhaus befand sich im mondänen Viertel Halensee. Das Haus war im Besitz von Wilhelm Lefebre und seinen Söhnen Arthur und Kurt. Wir wissen von acht Wohnungen in dem Gebäude, die als Zwangsunterkünfte genutzt wurden. Am 11. August 1943 wurde die Hektorstraße 3 vom Deutschen Reich beschlagnahmt.

Der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg beschlagnahmt das Haus Hektorstraße 3, die Lefebres werden enteignet, 11. August 1943. Quelle: BLHA, Rep. 36A (II) Nr. 21531

Wohnungen

Vorderhaus, 1. Obergeschoss

1.OG
Wohnung Guttentag

Philipp und Margarete Guttentag, geb. Meyer, zogen im September 1939 in die 5-Zimmer-Wohnung in der Hektorstraße 3. In ihrer vorherigen Wohnung in der Uhlandstraße 54/55 im Bezirk Wilmersdorf hatten sie fünf Jahre lang gelebt, bevor sie umziehen mussten. In ihrer Vermögenserklärung schrieb Margarete Guttentag, dass eine Paula Rosenberg ein teilmöbliertes Zimmer in ihrer Wohnung für 38 Reichsmark im Monat miete. Vermutlich ist es dieselbe Paula Rosenberg, die im Mai 1939 auch in der Uhlandstraße 54/55 wohnte. Wahrscheinlich waren die Guttentags und Paula Rosenberg befreundet und gemeinsam in die Hektorstraße gezogen. Sicher ist, dass die Guttentags ihre neue Wohnung mit der Anwaltssekretärin Ilte (Ida) Liebenthal bezogen. Sie war erst am 1. Juli 1939 bei dem Ehepaar in der Uhlandstraße eingezogen.

Ida Liebenthal
Ida Liebenthal, Aufnahmedatum und Fotograf:in unbekannt. Quelle: Yad Vashem, Hall of Names, Gedenkblatt für Ida Liebenthal, ID: 15045075

Ida Liebenthal war die erste Person, die aus der Wohnung deportiert wurde. Sie war in Berlin zurückgeblieben, nachdem ihr Bruder und ihre Schwester geflohen waren. Sie wurde am 27. November 1941 nach Riga deportiert und dort bei ihrer Ankunft ermordet. Im Januar 1942 zog Martha Spicker, geb. Wollenberg, mit in die Wohnung ein. Am 2. Juli 1942 kamen Rudolf und Else Czwiklitzer als Untermieter:innen eines Zimmers hinzu. Beide waren Likörfabrikant:innen, die 1939 gezwungen worden waren, ihr Unternehmen aufzugeben.

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„Hierin muß eine beabsichtigte Täuschung des Publikums gesehen werden, da unter der Weinhandlung ‚Brauner Weg‘ kaum eine nichtarische Firma vermutet wird, die zudem noch eine Tarnung des Bankrotteurs Czwiklitzer ist.“

Eine Woche nach dem Einzug der Czwiklitzers starb Philipp Guttentag. Am 24. Juli 1942 wurde Martha Spicker in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie bald darauf ums Leben kam. Im September 1942 zog Adele Hoffmann in die Wohnung ein. Sie musste in den Siemens-Schuckert-Werken in Spandau Zwangsarbeit leisten. Sie blieb nur wenige Monate und zog Anfang Januar 1943 weiter in die Xantener Straße 20. Von dort wurde sie kurz darauf nach Auschwitz deportiert. Else und Rudolf Czwiklitzer wurden am 26. Oktober 1942 nach Riga deportiert und bei ihrer Ankunft ermordet. Als Margarete Guttentag ihre Vermögenserklärung ausfüllte, befanden sich offenbar nur noch Adele Hoffmann, Paula Rosenberg (deren Schicksal unbekannt ist) und Gertrud Lindenbaum in der Wohnung. Eine 1886 geborene Gertrud Lindenbaum wurde am 17. Mai 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Es ist nicht abschließend geklärt, ob es sich hierbei um die erwähnte Bewohnerin der Hektorstraße 3 handelt. Margarete Guttentag wurde am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie bald darauf ermordet wurde. Etwa zwei Wochen später wurde die Wohnung an den Militärangehörigen Karl Jeckstadt-Borchert vergeben.

Karl Keckstadt-Borchert bekommt aufgrund seiner Militärauszeichnung die Wohnung von Margarete Guttentag
Bestätigung des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, dass Karl Jeckstadt-Borchert aufgrund seiner Militärauszeichnung mit dem Deutschen Kreuz die Wohnung von Margarete Guttentag nach ihrer Deportation erhält, 15. April 1943. Quelle: BLHA, Rep. 36A (II) Nr. 13237
Wohnung Heymann

Charlotte Heymann mietete seit April 1940 eine 3-Zimmer-Wohnung in der Hektorstraße 3. Sie hatte eine Ausbildung als Medizintechnikerin absolviert und als Kindergärtnerin gearbeitet, bevor sie Zwangsarbeit bei der Telefon- und Telegraphenbaufirma Richard Bosse & Co in der Reichenberger Straße 79/80 leisten musste. Es ist wahrscheinlich, dass es sich hierbei allerdings nicht um eine Zwangsunterkunft handelte, da sie zusammen mit ihren Eltern Martha und Bruno Heymann bereits im Mai 1939 unter dieser Adresse gemeldet war. Vermutlich übernahm sie im April 1940 den Mietvertrag ihrer Eltern.

Charlotte Heymann, Aufnahmedatum und Fotograf:in unbekannt. Quelle: Privatbesitz Michael Bruno Heymann
Charlotte Heymann mit ihren Eltern Martha und Bruno Heymann
Charlotte Heymann mit ihren Eltern Martha und Bruno Heymann in der Hektorstraße 3, Aufnahmedatum und Fotograf:in unbekannt. Quelle: Privatbesitz Michael Bruno Heymann

Martha Heymann, geb. Cohn, starb am 4. Juni 1940 in der Klinik in der Trautenaustraße 5. Charlottes Vater Bruno Heymann, ein Mediziner und Professor, lebte weiterhin mit seiner Tochter in der Wohnung. Er starb am 8. Mai 1943 im Jüdischen Krankenhaus. Vor seinem Tod musste Bruno Heymann die Deportation seiner Tochter miterleben. Sie wurde am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

„Sie [Charlotte] lehnte eine Fluchtmöglichkeit in die Schweiz ab, weil sie sich entschied, bei den Kindergartenkindern zu bleiben und deren Schicksal der sicheren Deportation zu teilen.“
Zitat von Michael Bruno Heymann, Neffe von Charlotte Heymann, undatiert (Original auf Englisch)
Wohnung Adler

Über Elise Adler und ihre Wohnsituation ist nur sehr wenig bekannt. Belegt ist, dass sie seit 1936 zwei Zimmer im Zwischengeschoss des ersten Obergeschosses mietete. Es ist nicht bekannt, ob sie gezwungen war, Untermieter:innen aufzunehmen, was dazu geführt hätte, dass die Wohnung zu einer Zwangsunterkunft geworden wäre. Möglicherweise teilte sich Elise Adler die Wohnung mit ihrer Schwester Ida May, geb. Adler. Sie war ebenfalls unter dieser Adresse gemeldet. Ida May wurde am 28. März 1942 in das Ghetto Piaski deportiert. Elise Adler wurde am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert. Kurz darauf wurde die Wohnung dem nichtjüdischen Herbert Krause angeboten. Seine Wohnung war bei einem Luftangriff beschädigt worden.

Vorderhaus, 2. Obergeschoss

2.OG
Wohnung Flessburg

Die Sopranistin Frida (auch Frieda) Flessburg, geb. Weber, wohnte seit 1932 in einer 5-Zimmer-Wohnung im zweiten Obergeschoss der Hektorstraße 3. Ihre Tochter Ruth wohnte ebenfalls an dieser Adresse und floh zu einem unbekannten Zeitpunkt in die Schweiz. Ab September 1939 vermietete Frida Flessburg zwei teilmöblierte Zimmer an Bertha und Julius Steigerwald. Das Ehepaar war wahrscheinlich aus der Sächsischen Straße 6 in Wilmersdorf hergezogen. Dort waren sie im Mai 1939 noch gemeldet. In ihrer Vermögenserklärung vermerkte Frida Flessburg, dass ein Kurt Lindebaum ein Zimmer für 45 Reichsmark im Monat miete und in einer „privilegierten Mischehe“ lebe. Dies zeigt, dass Juden:Jüdinnen, die wegen ihrer Ehe mit nichtjüdischen Personen zumindest von manchen Verfolgungsmaßnahmen verschont blieben, ebenfalls in Zwangswohnungen ziehen mussten. Am 29. Januar 1943 wurde Frida Flessburg nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Frida Flessburg, 1911, Fotograf:in unbekannnt. Quelle: Wikimedia Commons

Die Sopranistin Frida Flessburg, geb. Weber

Frida Flessburg machte zahlreiche Tonaufnahmen in den Genres Oper, Operette und Schlager. Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten erhielt sie wegen der antisemitischen Bestimmungen Bühnenverbot. Sie wurde zur Zwangsarbeit in der Rundfunkfabrik Dr. Georg Seibt in der Akazienstraße verpflichtet.
Frida Flessburg singt Das Lied der Liebe hat eine süße Melodie“, 1929 (Quelle: YouTube).

Wohnung Meyerowitz

Liesbeth Dorothea Meyerowitz, geb. Müller, mietete ab Juli 1939 eine 5-Zimmer-Wohnung im zweiten Obergeschoss der Hektorstraße 3. Sie war gezwungen, dorthin zu ziehen, nachdem ihre Villa Im Dol 53 in Dahlem beschlagnahmt worden war. In der Wohnung lebte auch ihre Tochter Elly Rastetter mit ihrem Sohn Peter. Im Februar 1941 zog Lisbet Grünwald, geb. Hahn, als Untermieterin in die Wohnung ein. Sie musste in der Industriewäscherei Raatz in Spandau Zwangsarbeit leisten. Mit einem der ersten Transporte aus Berlin wurde sie am 27. November 1941 nach Riga deportiert und bei ihrer Ankunft ermordet. Im Februar 1942 wurde ihr Zimmer Ludwig Katz zugewiesen. Er war vom Generalbauinspektor der Reichshauptstadt Berlin (GBI) aus seiner Wohnung in der Wilmersdorfer Straße 93 vertrieben worden.

„Über die bisherige Wohnung des vorgenannten Juden ist bereits anderweitig verfügt worden. Es ist deshalb dringend erforderlich, dass das Zimmer der abgeschobenen Jüdin Grünwald vordringlich geräumt wird.“

Kurz vor seinem Einzug musste Ludwig Katz den Oberfinanzpräsidenten darum bitten, dass Lisbet Grünwalds Habseligkeiten aus dem Zimmer geräumt werden, damit er am nächsten Tag einziehen kann. Nicht nur war Ludwig Katz von einer Zwangsräumung betroffen, sondern er musste auch noch den letzten Besitz einer deportierten Person entfernen lassen. Ludwig Katz entging den Deportationen und überlebte.

„Da ich durch Speer-Kündigung meine Wohnung […] am 29. Januar d.J. abgeben muss, bitte ich das von mir gemietete Zimmer Hektor Str. 3, bei Meyrowitz sofort öffnen zu lassen.“

Ende Februar 1942 zogen auch Margarete Matzdorff, geb. Heilborn, und ihre erwachsene Tochter Marie Matzdorff in ein unmöbliertes Zimmer der Wohnung ein. Am 23. September 1942 wurde Margarete Matzdorff in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie starb bereits nach wenigen Monaten aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen. Es ist wahrscheinlich, dass Marie Matzdorff nichts vom Tod ihrer Mutter wusste, als sie am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt zogen Margarete und Heinrich Cohn in ein unmöbliertes Zimmer ein. Über sie ist nur bekannt, dass sie noch im Januar 1943 in der Wohnung lebten. Der Enkel von Liesbeth Meyerowitz, Peter Rastetter, erzählte später:

„Leo Cohn und seine sehr nette deutsche Frau teilten unsere Wohnung mit uns. Er hatte als deutscher Soldat in China gedient und dort 1890 im Boxeraufstand gekämpft […]. Er kämpfte auch in der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg [...]. Er war über 60, als er von zwei SS-Soldaten mit ihren Gewehrkolben zu Tode geprügelt wurde, weil er ihnen alle Medaillen zeigte, die er als deutscher Soldat erhalten hatte, darunter das Eiserne Kreuz für den Einsatz in der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg, und deshalb nicht gehen wollte. Ich sehe immer noch seinen toten Körper im Foyer unserer Wohnung, wo sie ihn zurückgelassen haben.“
Zitat von Peter Rastetter, undatiert, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf (Original auf Englisch)

Ob es sich bei Leo und Heinrich Cohn möglicherweise um die gleiche Person handelt, ist unklar. Die Hauptmieterin Liesbeth Meyerowitz wurde am 12. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihre Tochter Elly Rastetter und ihr Enkelsohn Peter zogen weiter in die Freisinger Straße 5a in Schöneberg.

„Meine schöne und sehr kultivierte Großmutter wurde von der Gestapo und zwei Waffen-SS-Soldaten abgeholt und musste über eine schmale Leiter in einen Lastwagen klettern, der vor dem Haus geparkt war, während die SS daneben stand und ihr nicht half, und wurde dann nach Auschwitz transportiert, wo sie ermordet wurde.“
Zitat von Peter Rastetter, undatiert, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf (Original auf Englisch)
Stolperstein für Liesbeth Meyerowitz in der Hektorstraße 3. Quelle: Stolpersteine-Initiative CW, Foto: Hupka

Am 3. Februar 1944 notierte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Elly Rastetter als „flüchtig“ und leitete die Beschlagnahmung ihres Vermögens ein. Sie überlebte die Verfolgung und kämpfte in der Nachkriegszeit darum, dass sie und ihr Sohn Peter als Verfolgte anerkannt werden:

„Hierdurch bitte ich ergebenst um die Bestätigung, dass mir als ‚Opfer der Nürnberger Gesetze‘ die Lohnsteuerermäßigung sowie die höhere Lebensmittelkarte zusteht. Ich bin Volljüdin [...], da ich selbst in einer sogenannten privilegierten Ehe lebte, bin ich nicht evakuiert worden, jedoch ist meine Mutter 1943 in Auschwitz vergast worden; während des ganzen Krieges musste ich schwerste Zwangsarbeit leisten, mein Sohn (jüdischer Mischling 1. Grades) musste die Schule verlassen. Mein Vermögen wurde von der Nazi-Regierung beschlagnahmt [...].“
Brief von Elly Rastetter an die Generalsteuerdirektion, 16. Januar 1946. Quelle: BLHA, Rep. 36A (II) Nr. 30561

Vorderhaus, 3. Obergeschoss

3.OG
Wohnung Lefebre

Wilhelm Lefebre war zusammen mit seinen Söhnen Arthur und Kurt Eigentümer der Hektorstraße 3. Sie besaßen noch einige andere Immobilien in der Stadt, darunter ein Haus in der Oranienstraße 68. Dort hatte Arthur Lefebre ein elegantes und beliebtes Tanzlokal namens „Sevilla“ betrieben, bis die Angriffe der Sturmabteiung (SA), die antisemitische Wirtschaftspolitik und das Novemberpogrom 1938 ihn im Februar 1939 zur Schließung des Geschäfts zwangen.

Logo des „Tanzpalast Sevilla Arthur Lefebre“ am Moritzplatz in Kreuzberg. Quelle: Datenbank jüdische Gewerbebetriebe in Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin

Die Familie lebte zusammen mit Wilhelms Frau Gertrud Lefebre, geb. Frankenstein, und ihrer gemeinsamen Tochter Edith in einer Wohnung im dritten Obergeschoss. Laut einem im März 1943 erstellten Inventar bestand die Wohnung aus einem Herrenzimmer, einem Schlafzimmer, einem Speisezimmer, einem Fremdenzimmer, einem kleinen Flur, einer anschließenden Toilette, einer Diele und einer Mädchenkammer. Wahrscheinlich gab es in der Wohnung noch ein zusätzliches Zimmer, das an Fritz und Ruth Goldner, geb. Löhnberg, irgendwann nach Mai 1939 vermietet wurde. Ruth Goldner wurde am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Ihr Mann wurde zusammen mit den Brüdern Kurt und Arthur Lefebre einen Tag später nach Auschwitz deportiert. Am nächsten Tag wurde auch Gertrud Lefebre deportiert. Als dies geschah, war Edith Lefebre mit ihrem Vater Wilhelm im Jüdischen Krankenhaus. Der Nachbarsjunge Peter Rastetter warnte sie auf der Straße, nicht in die Wohnung zurückzukehren. Es gelang ihr zu überleben, indem sie mit ihrem zukünftigen Ehemann Walter Marwilsky untertauchte:

„An dem Tag, an dem die SS Herrn Cohn ermordeten, konnte ich das Leben von Edith Lefebre, der Tochter der Eigentümer des Mietshauses, sowie ihres zukünftigen Mannes Walter Marwilsky (sie heirateten 1945) retten. Die Gestapo wartete auf sie in ihrer Wohnung, und ich wartete auf sie an der Ecke Kurfürstendamm und Hectorstraße und konnte sie warnen. Sie kehrten bis nach dem Krieg im Mai 1945 nicht mehr in ihre Wohnung zurück und wurden von Freunden von ihnen auf einem Laubengrundstück versteckt und überlebten die Nazis.“
Zitat von Peter Rastetter, undatiert, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf (Original auf Englisch)
„Am 3. März 1943 brachte ich meinen Vater in das Jüdische Krankenhaus, Iranische Straße. Als ich zu meiner elterlichen Wohnung Hektorstraße 3 zurückkehrte, wurde ich gewarnt. Mir wurde mitgeteilt, daß meine Mutter während meiner Abwesenheit von der Gestapo abgeholt worden war und daß man die Wohnung versiegelt hatte. Meine Bekannten gaben mir den Rat, in die Illegalität zu gehen [...]“
Zitat von Edith Marwilsky, geb. Lefebre, über ihre eigene Rettung, undatiert, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf

Ediths Vater Wilhelm starb kurz danach, am 14. Juni 1943. Am 10. April 1943 wurde die Wohnung der Lefebres geräumt und am 12. April 1943 dem nichtjüdischen Paul Winkler als Ersatz für seine ausgebombte Wohnung angeboten.

Vorderhaus, 3. Obergeschoss

3.OG
Wohnung Bachrach

Rudolf und Alice Bachrach, geb. Glaser, zogen 1940 oder 1941 in die Hektorstraße 3. Sie vermieteten ein teilmöbliertes Zimmer an eine Luise Wolff unter. Über ihr Schicksal ist nichts bekannt. Rudolf und Alice Bachrach wurden am 30. September 1942 in das Sammellager in der Gerlachstraße 19/22 gebracht und am 3. Oktober 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Rudolf Bachrach überlebte dort nicht lange. Alice Bachrach wurde am 16. Mai 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Porträt von Rudolf Bachrach
Rudolf Bachrach, Aufnahmedatum und Fotograf:in unbekannt. Quelle: Yad Vashem, Hall of Names, Gedenkblatt für Rudolf Bachrach, ID: 14071525

Vorderhaus, 4. OG

4.OG
Wohnung Baschwitz

In den Daten der Volkszählung vom 17. Mai 1939 sind die Namen von Ernst Friedrich Baschwitz und seiner Frau Emma, geb. Sprossmann, in der Hektorstraße 3 eingetragen. Das Paar lebte in einer sogenannten „Mischehe“, da Emma Sprossmann keine Jüdin war. Angesichts seiner drohenden Deportation stürzte sich Ernst Friedrich Baschwitz am 18. Januar 1943 aus dem Fenster der Wohnung.

Das Grab von Ernst-Friedrich Baschwitz
Das Grab von Ernst Friedrich Baschwitz auf dem Friedhof Weißensee, 2015, Foto: Jacques Dessertenne. Quelle: Geni.com
Wohnung Laboschin

In einer weiteren Wohnung im vierten Obergeschoss lebten Max Laboschin und seine Frau Erna, geb. Salomonis. Das Ehepaar war im Mai 1939, unmittelbar nach der Abschaffung des Mieterschutzes, in die Wohnung eingezogen. Sie teilten sich die 2-Zimmer-Wohnung mit ihrer Tochter Gertraud. Max und Erna Laboschin mussten miterleben, wie Gertraud am 12. März 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Sie selbst wurden fünf Tage später in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort wurde Max Laboschin am 29. September 1944 nach Auschwitz deportiert, Erna Laboschin am 4. Oktober 1944. Niemand aus der Familie überlebte.

Wohnung Nehab/Krotoschiner

Im November 1939 zog Blanca Nehab, geb. Daniel, als Hauptmieterin in die 5-Zimmer-Wohnung im vierten Obergeschoss der Hektorstraße 3, gemeinsam mit ihren beiden erwachsenen Töchtern Elisabeth und Martha Nehab. In zwei Zimmern der Wohnung lebten Walter und Lotte Krotoschiner, geb. Gidsun, mit ihren kleinen Kindern Lonny und Ellen-Gerty. Außerdem bewohnte Alice Werthauer, geb. Schweitzer, ein Zimmer zur Untermiete. In der 6-Zimmer-Wohnung lebten also sechs Erwachsene und zwei Kinder. Am 10. August 1942 nahm sich Blanca Nehab das Leben, um der Deportation zu entgehen. Auch Alice Werthauer beging wenige Tage später Suizid. Elisabeth und Martha Nehab flüchteten in Richtung der Schweizer Grenze. Kurz bevor sie in Sicherheit waren, wurden sie entdeckt und im Keller des alten Schulhauses in St. Gallenkirch eingesperrt. Wie ihre Mutter Blanca nahmen sich auch Elisabeth und Martha das Leben, um der Deportation zu entgehen.

St. Gallenkirch, Alte Volksschule vorne rechts, 1928, Fotograf:in unbekannt. Quelle: Montafoner Museen/Montafon Archiv
„Manche Zeitzeugen berichten, die Frauen hätten einen Schlepper angeheuert, der sie verraten hätte. Andere berichten, dass die beiden Frauen zu wenig Geld oder Wertsachen bei sich gehabt hätten, um einen Fluchthelfer bezahlen zu können. Am 24. September 1942 jedenfalls wurden sie im Gemeindearrest im Keller des alten Schulhauses in St. Gallenkirch eingesperrt um am nächsten Morgen abtransportiert zu werden.“
Zitat aus: Über die >Grenze, Martha und Elisabeth Nehab, 24. September 1942, (Webseite des Jüdischen Museum Hohenems)

Die Familie Krotoschiner blieb in der Wohnung zurück. Offenbar zogen dann Lotte Krotoschiners Eltern, David und Jenny Gidsun, mit ein. Walter Krotoschiner gab dies in seiner Vermögenserklärung vom 9. März 1943 an. Am 12. März 1943 wurden Lotte und Walter Krotoschiner zusammen mit ihren kleinen Töchtern Lonny und Ellen-Gerty nach Auschwitz deportiert, wo sie alle ermordet wurden. Jenny Gidsun starb am Tag nach der Deportation ihrer Angehörigen im Sammellager in der Auguststraße 17. Ihr Ehemann David Gidsun wurde ebenfalls dorthin gebracht. Er wurde am 28. Mai 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am 13. Oktober desselben Jahres aufgrund der Lebensbedingungen im Ghetto starb.

Die Wohnung in der Hektorstraße 3 wurde renoviert und im Juni 1943 an Karl Jeckstadt-Borchert vergeben, der im April bereits die Wohnung von Margarete Guttentag im ersten Obergeschoss erhalten hatte.

Karl Jeckstadt-Borchert erhielt nach der Deportation der Krotoschiners auch ihre Wohnung. Sie wurde auf Kosten des Vermieters renoviert, 17. Juni 1943. Quelle: BLHA, Rep. 36A (II) Nr. 28108
Autorin

Bethan Griffiths

In Gedenken an die jüdischen Bewohner:innen der Hektorstraße 3

Elise Adler

22.5.1880 in Storndorf
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Alice Bachrach, geb. Glaser

6.4.1885 in Neumarkt
Deportation am 3.10.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 16.5.1944 nach Auschwitz, ermordet

Rudolf Bachrach

5.3.1877 in Schwalenberg
Deportation am 3.10.1942 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 22.11.1942

Ernst Friedrich Baschwitz

3.7.1869 in Berlin
Suizid am 18.1.1943

Bianka Baum, geb. Nebel

26.6.1915 in Gleiwitz (Gliwice)
Deportation am 24.9.1942 in die Tötungsstätte Raasiku, ermordet 

Heinrich Cohn

Geburtsdaten und Schicksal unbekannt

Leo Cohn

(möglicherweise identisch mit Heinrich Cohn)
Geburtsdaten unbekannt
erschlagen in Berlin

Magarete Cohn

Geburtsdaten und Schicksal unbekannt

Else Czwiklitzer, geb. Abraham

24.11.1880 in Berlin
Deportation am 26.10.1942 ins Ghetto Riga, ermordet am 29.10.1942

Rudolf Czwiklitzer

17.4.1879 in Mocker (Mokre)
Deportation am 26.10.1942 ins Ghetto Riga, ermordet am 29.10.1942

Frida (Frieda) Flessburg, geb. Weber

16.11.1890 in Krakau (Kraków)
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Ruth Flessburg

5.4.1918 in Berlin
Flucht in die Schweiz
Überlebte 

David Gidsun

22.12.1871 in Siekowo
Deportation am 28.5.1943 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 13.10.1943   

Jenny Gidsun

28.8.1876 in Glogau (Głogów)
Verstorben am 13.3.1943

Walter Glaser

22.7.1887 in Lübzin
Flucht am 23.6.1941 in die USA
Überlebte

Fritz Goldner

21.1.1906 in Berlin
Deportation am 3.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Ruth Goldner, geb. Löhnberg

17.3.1917 in Berlin
Deportation am 1.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Frieda Grünbaum, geb. Heudel

25.6.1880 in Berlin
Deportation am 13.6.1942 ins Vernichtungslager Sobibor, ermordet

Lisbet Grünwald, geb. Hahn

22.9.1891 in Rogasen (Rogoźno)
Deportation am 27.11.1941 ins Ghetto Riga, ermordet am 30.11.1941

Margarete Guttentag, geb. Meyer

12.7.1880 in Stargard in Pommern
Deportation am 2.3.1943 nach Auschwitz, ermordet im März 1943

Philipp Guttentag

29.3.1863 in Gleiwitz (Gliwice)
Verstorben am 9.7.1942

Elisabeth Herrmanns, geb. Herrmanns

15.6.1894 in Köln
Flucht am 25.3.1941 in die USA
Überlebte

Hugo Herrmanns

22.12.1883 in Lüxheim
Flucht am 25.3.1941 in die USA
Überlebte

Ernst Hertz

3.4.1867 in Mainz
Deportation am 17.8.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 19.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka, ermordet

Elsbeth Herz, geb. Linde

10.8.1875 in Berlin
Deportation am 17.8.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 19.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka, ermordet

Joseph Herz

10.12.1866 in Schneidemühl (Piła)
Deportation am 17.8.1942 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 19.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka, ermordet

Bruno Heymann

1.7.1871 in Breslau (Wrocław)
Verstorben am 8.5.1943

Charlotte Heymann

9.11.1904 in Breslau (Wrocław)
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Martha Heymann, geb. Cohn

3.12.1872 in Görlitz
Verstorben am 4.6.1940

Adele Hoffmann

27.12.1896 in Posen (Poznań)
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Alice Joseph, geb. Cohn

19.3.1891 in Stettin (Szczecin)
Deportation am 15.8.1942 ins Ghetto Riga, ermordet am 18.8.1942

Ludwig Katz

5.4.1895 in Berlin
Überlebte

Ellen-Gerty Krotoschiner

9.3.1937 in Berlin
Deportation am 12.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Lonny Krotoschiner

13.7.1932 in Berlin
Deportation am 12.3.1943 nach Auschwitz, ermordet 

Lotte Krotoschiner, geb. Gidsun

1.6.1902 in Berlin
Deportation am 12.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Walter Krotoschiner

24.8.1892 in Berlin
Deportation am 12.3.1943 nach Auschwitz, ermordet am 3.4.1943

Erna Laboschin, geb. Salomonis

19.5.1903 in Berlin
Deportation am 17.3.1943 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 4.10.1944 nach Auschwitz, ermordet

Gertraud Gisela Laboschin

18.1.1924 in Berlin
Deportation am 12.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Max Laboschin

29.4.1893 in Berlin
Deportation am 17.3.1943 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 29.9.1944 nach Auschwitz, ermordet

Arthur Lefebre

17.1.1899 in Berlin
Deportation am 3.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Gertrud Lefebre, geb. Frankenstein

20.6.1875 in Berlin
Deportation am 4.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Kurt Lefebre

24.3.1901 in Berlin
Deportation am 3.3.1943 nach Auschwitz, ermordet

Wilhelm Lefebre

29.9.1872 in Falkenburg
Verstorben am 14.6.1943

Ida Liebenthal

15.1.1886 in Berlin
Deportation am 27.11.1941 ins Ghetto Riga, ermordet am 30.11.1941

Kurt Lindebaum

Geburtsdaten und Schicksal unbekannt

Gertrud Lindenbaum

Wahrscheinlich 29.11.1886 in Berlin
Wahrschienlich Deportation am 17.05.1943 nach Auschwitz, ermordet

Emmi Marcuse

23.6.1881 in Letschin
Deportation am 25.1.1942 ins Ghetto Riga, umgekommen

Edith Marwilsky, geb. Lefebre

8.3.1904 in Berlin
Überlebte im Versteck

Margarete Matzdorff, geb. Heilborn

7.12.1864 in Breslau (Wrocław)
Deportation am 23.9.1942 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 22.1.1943

Marie Matzdorff

25.7.1898 in Breslau (Wrocław)
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Ida May, geb. Adler

14.2.1878 in Storndorf
Deportation am 28.3.1942 ins Ghetto Piaski, umgekommen

Günther Meyer

17.12.1902 in Berlin
Deportation 1942 nach Auschwitz, ermordet am 16.11.1942

Liesbeth Meyerowitz, geb. Müller

20.6.1880 in Königsberg (Kaliningrad)
Deportation am 12.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Blanca Nehab, geb. Daniel

30.11.1864 in Stargard
Suizid am 10.8.1942

Elisabeth Nehab

4.6.1891 in Berlin
Suizid am 24.9.1942

Martha Nehab

20.7.1892 in Berlin
Suizid am 24.9.1942

Alfred Oppenheimer

29.8.1882 in Elze
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Bertha Oppenheimer, geb. Seelig

16.1.1888 in Mannheim
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

David Pelz

Geburtsdaten unbekannt
Flucht nach Palästina
Überlebte

Hans-Peter Pelz

Geburtsdaten unbekannt
Flucht am 30.3.1939 nach Großbritannien
Überlebte

Elly Rastetter, geb. Meyerowitz

23.8.1905 in Breslau (Wrocław)
Überlebte

Peter Rastetter

18.2.1929 in Breslau (Wrocław)
Überlebte

Paula Rosenberg

Wahrscheinlich 16.3.1887 in Berlin
Schicksal unbekannt

Betty Selling, geb. Erb

13.10.1906 in Fordon
Deportation am 17.3.1943 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 1.10.1944 nach Auschwitz, ermordet 

Martin Selling

7.10.1893 in Nürnberg
Deportation am 17.3.1943 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 29.9.1944 nach Auschwitz, ermordet

Martha Spicker, geb. Wollenberg

13.9.1867 in Riesenburg
Deportation am 24.7.1942 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 22.10.1942

Bertha Steigerwald, geb. Heilbronner

15.12.1895 in Heilbronn
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Julius Steigerwald

18.3.1884 in Heilbronn
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Alice Werthauer, geb. Schweitzer

28.10.1877 in Breslau (Wrocław)
Suizid am 22.8.1942

Luise Wolff

Geburtsdaten und Schicksal unbekannt

Kleiststraße 36

Liesbeth Meyerowitz wohnte ab Juli 1939 in der Hektorstraße 3. Ihre Schwester Rose Mendelsohn wohnte in der Kleiststraße 36 als Untermieterin bei Maria Aszkenazy.

Zur Hausgeschichte Kleiststraße 36