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Zehdenicker Str. 25

Zehdenicker Str. 25

Ehemals: Zehdenicker Straße 24/25, Pankow
Das Eckhaus an der Zehdenicker Straße und Gormannstraße im Prenzlauer Berg befindet sich wenige hundert Meter vom ehemaligen Scheunenviertel entfernt. In den meisten Wohnungen des Hauses lebten schon vor Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft jüdische Familien, weitere zogen nach 1933 ein. 29 Menschen wurden von dieser Adresse deportiert, die meisten Anfang 1943. Nur eine Person überlebte.

Eigentümer des Hauses war seit 1921 der jüdische Kaufmann Juda Kohn, der selbst mit seiner Familie bis 1932 dort wohnte. Zwischen 1933 und 1940 gehörte das Gebäude der vermutlich jüdischen Firma Frank & Glaser, danach einer nichtjüdischen Privateigentümerin, einer Witwe, die das Haus von einem Beauftragten verwalten ließ. Das Haus hatte insgesamt 19 Wohnungen und ein Ladenlokal, das als Wohnung diente. Vier dieser Wohnungen wurden als Zwangsräume genutzt. Neben dem Eingang in der Zehdenicker Straße gibt es in der Gormannstraße 17b einen zweiten Eingang mit einem weiteren Treppenhaus. Bevor das Ladenlokal mit Nebenräumen im Erdgeschoss als Wohnung diente, war dort Mitte der 1920er Jahre für einige Jahre ein Kindergarten der Jüdischen Gemeinde Berlin untergebracht.

Wohnungen

Im Aufgang Zehdenicker Straße gibt es auf vier Etagen jeweils zwei Wohnungen: links eine großzügige und mit Stuck versehene 3-Zimmer-Wohnung mit Kammer, großer Küche und großem Flur, rechts eine kleinere 3-Zimmer-Wohnung.

Erdgeschoss

EG
Wohnung Jüttner

Das Ladengeschäft im Erdgeschoss bewohnten seit Februar 1939 der Schuhmacher Theodor Jüttner und seine Frau Paula. Bei ihnen lebten ihre beiden erwachsenen Töchter Senta und Hanna mit deren Männern Rudi Neufeld und Heinz Josel. Am 13. Juni 1942 kam Gittel, die Tochter von Hanna und Heinz Josel, zur Welt. Neben dem ehemaligen Verkaufsraum verfügte die Wohnung über zwei Nebenräume, die als Schlafzimmer dienten, und eine Küche. Die sechs Familienmitglieder mussten in unterschiedlichen Betrieben Zwangsarbeit leisten. Die gesamte Familie wurde am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Porträtpostkarte von Theodor Jüttner als Soldat, 1918, Fotograf:in unbekannt. Quelle: Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2005/149/157, Schenkung von Horst Abraham
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Nach der Deportation der Familie Jüttner listete ein Gerichtsvollzieher akribisch die hinterlassenen Gegenstände auf und bewertete sie. Die Liste diente dem späteren Verkauf an die interessierte Bevölkerung. Die Einnahmen gingen an den Staat. Das Dokument zeigt oben rechts, dass der Wohnungsschlüssel nach der Deportation der Familie bei der Portiersfrau im Eingang Gormannstraße verwahrt wurde.

1. Obergeschoss, links

1.OG
Wohnung Weisskirch

Seit 1934 lebten in der großen 3-Zimmer-Wohnung im ersten Obergeschoss der Kaufmann Josef Weisskirch und seine Frau Fanny mit ihren gemeinsamen Söhnen Max und Heinrich. Die Familie stammte ursprünglich aus Polen. Auch die Mutter von Fanny Weisskirch, Chaja Gottselig, lebte in der Wohnung. Den beiden Söhnen gelang es, nach Palästina auszuwandern. Josef Weisskirch und seine Schwiegermutter Chaja Gottselig wurden im Januar 1943 deportiert und in Auschwitz ermordet. Über das Schicksal von Fanny Weisskirch ist nichts bekannt.

Am 1. April 1941 zog das Ehepaar Moses und Hadossa Rück zur Untermiete in eines der Zimmer ein. Nur acht Monate später wurden sie nach Riga deportiert und nach der Ankunft im Wald von Rumbula erschossen. Ende 1941 zog die ebenfalls aus Polen stammende Feiga Kampf in die Kammer. Dort lebte sie etwa ein Jahr lang bis zu ihrer Deportation am 14. Dezember 1942. Lajbus und Rivka Zalcmann zogen im Mai 1942 mit ihrem fünf Monate alten Kind in eines der großen Zimmer. Sie lebten dort, bis sie im Januar 1943 gemeinsam mit vielen weiteren Bewohner:innen des Hauses nach Auschwitz deportiert wurden.

2. Obergeschoss, links

2.OG
Wohnung Hirsch

In der Wohnung über der Familie Weisskirch wohnte Heimann Hirsch mit seinen zwei erwachsenen Söhnen Hans und Rudi. Die Familie war dort nach 1932 eingezogen. Heimann Hirsch wurde bereits am 17. November 1941 nach Kowno deportiert und ermordet. Danach zog Hans Hirsch zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Neuruppin. Über seinen weiteren Verbleib, wie auch den seines Bruders, ist nichts bekannt.

Seit November 1941 bewohnte die dreiköpfige Familie Weinberg ein Zimmer zur Untermiete in der Wohnung Hirsch. Resi und Adolf Weinberg waren im März 1940 gemeinsam mit ihrem siebenjährigen Sohn Wolf nach Berlin gekommen. Aus ihrem Wohnort Jever waren sie nach einer Gestapo-Aktion gegen die jüdische Bevölkerung in Ostfriesland vertrieben worden. Sie wurden zunächst in eine Wohnung in der Weißenburger Straße 13 (heute Kollwitzstraße) im Prenzlauer Berg eingewiesen. Von dort kamen sie in die Zehdenicker Straße. Adolf Weinberg musste bei der städtischen Müllabfuhr Zwangsarbeit leisten. Familie Weinberg wurde Ende Januar 1943 nach Auschwitz deportiert.

In der Wohnung lebten spätestens seit 1942 auch Irmgard und Hans Zlotnitzki. Sie wurden am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert. Zuvor wurden sie wahrscheinlich rund vier Wochen lang im Sammellager in der Großen Hamburger Straße festgehalten.

Hans Zlotnitzki, Aufnahmedatum und Fotograf:in unbekannt. Quelle: Yad Vashem, Hall of Names, Gedenkblatt für Hans Zlotnitzki, ID: 14147495

Auf einer sogenannten Inhaftierungsbescheinigung führte der International Tracing Service alle Informationen auf, die über die Verfolgungsgeschichte von Adolf Weinberg bekannt waren. Zu seinem Aufenthalt in Berlin existierte nur die Information, dass ein „Judenhaus in Berlin“ sein letzter Wohnort gewesen ist.

3. Obergeschoss, rechts

3.OG
Wohnung Sieburth

Im dritten Obergeschoss wohnten seit Juli 1942 Benno und Else Sieburth als Hauptmieter:innen einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung. Sie hatten zuvor viele Jahre in der Pasteurstraße in Prenzlauer Berg gelebt. Der erwachsene Sohn des Ehepaares, Peter Sieburth, lebte auf dem Hachschara-Gut in Neuendorf im Sande, wo er sich auf eine Auswanderung nach Palästina vorbereitete. Im März 1938 arbeitete Benno Sieburth als ambulanter Händler im Berliner Umland. Das erregte die Aufmerksamkeit der Gestapo, da es jüdischen Händlern verboten war, auf den Märkten Waren zu verkaufen.

Rund zwei Jahre vor den Sieburths, im August 1940, war das Ehepaar Leo und Selma Lewinsky als Untermieter:innen in die Wohnung gezogen. Am 11. Februar 1941 kam ihre Tochter Rachel zur Welt. Eine weitere Untermieterin der Sieburths war die 63-jährige Witwe Johanna Katz. Sie zog zu einem nicht bekannten Zeitpunkt ein.

Die Gestapo deportierte Benno und Else Sieburth am 12. Januar 1943, über zwei Wochen vor ihren Untermieter:innen, nach Auschwitz. Bereits im September 1942 hatten die Sieburths die Deportation von Charlotte Grünberg, der ledigen Schwester von Else Sieburth, die ebenfalls in der Wohnung lebte, aus unmittelbarer Nähe miterleben müssen.

Über das Schicksal der früheren Hauptmieter:innen, der vierköpfigen Familie Kajet, ist nichts bekannt. Nach ihnen zogen vermutlich Georg und Margot Israelski als Hauptmieter:innen in die Wohnung. Wann sie genau einzogen, geht aus den Quellen nicht hervor.

Margot Israelski musste bei Siemens in Spandau Zwangsarbeit leisten. Georg Israelski, der von Beruf Vertreter war und seit 1939 Zwangsarbeit leisten musste, wurde nach einem Sprengstoffanschlag einer kommunistisch-jüdischen Widerstandsgruppe am 27. Mai 1942 von der Gestapo festgenommen und in das Sammellager in der Synagoge in der Levetzowstraße gebracht. Nach einem inszenierten Tribunal wurden Georg Israelski und 153 weitere Männer ins KZ Sachsenhausen verschleppt und dort erschossen. Wenige Wochen darauf, am 19. Juni 1942, wurde seine Frau Margot Israelski in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie war die einzige Überlebende der 29 Menschen, von denen bekannt ist, dass sie von dieser Adresse aus deportiert wurden. Nach 1945 wanderte sie in die USA aus.

Margot Goldschmidt, früher Israelski, geb. Rosenthal, 1953, Fotograf:in unbekannt. Quelle: Privatbesitz Ruth Kaplan
US-Einbürgerungsurkunde von Margot Goldschmidt, 4. Juni 1953. Quelle: Privatbesitz Ruth Kaplan

„Unter Bezugnahme auf meine verschiedenen Schreiben wegen Erstattung der Mieten für die Judenwohnunge […] bitte ich heute nochmals dringend und wiederholt, die baldige Überweisung der seit Januar d.J. ausstehenden Mieten und zwar: Jüttner, Weisskirch, Hirsch, Sieburth […] zu veranlassen.“

Nachbarschaft

Nur vier der elf Wohneinheiten des Hauses waren Zwangswohnungen. Die anderen Wohneinheiten waren anderweitig vermietet. Zu den langjährigen Mieter:innen gehörte die im Aufgang Gormannstraße wohnende Frieda Loth, die in beiden Gebäudeteilen als Portiersfrau arbeitete. Nach den Deportationen und Räumungen der Wohnungen nahm sie die Schlüssel entgegen. Sie unterstützte auch den Gerichtsvollzieher, der das zurückgelassene Eigentum der Deportierten bewertete: Frieda Loth war dabei nicht nur anwesend, sondern auch bei der Wertermittlung und der Identifikation der ursprünglichen Besitzer:innen behilflich.

Autor

Akim Jah

In Gedenken an die jüdischen Bewohner:innen der Zehdenicker Straße 24/25

Laizer Josek Ehrlich

3.10.1891 in Zduńska Wola
Flucht am 9.9.1939

Alfred Goldstein

12.3.1924 in Berlin
Ausweisung nach Polen 1939, 1942 im Ghetto Kolomea, vermutlich im Vernichtungslager Belzec ermordet

Dina Goldstein, geb. Twiasshor

15.6.1886 in Kolomea (Kolomyja)
Ausweisung nach Polen 1939, 1942 im Ghetto Kolomea, vermutlich im Vernichtungslager Belzec ermordet

Israel Goldstein

9.3.1888 in Lanczyn
Abschiebung am 28.10.1938 an die deutsch-polnische Grenze, im Jahr 1942 im Ghetto Kolomea, vermutlich im Vernichtungslager Belzec ermordet

Hans Hirsch

29.4.1910 in Berlin
Verbleib unbekannt

Heimann Hirsch

22.6.1881 in Wągrowiec
Deportation am 17.11.1941 ins Ghetto Kowno, ermordet

Rudi Hirsch

10.8.1913 in Berlin
Verbleib unbekannt

Feiga Kampf

22.1.1897 in Ujście
Deportation am 14.12.1942 nach Auschwitz, ermordet

Chaja (Chawa) Gottselig, geb. Mendler

25.1.1874 in Nowy Wiśnicz
Deportation am 26.1.1943 ins Ghetto Theresienstadt, weiter am 18.12.1943 nach Auschwitz, ermordet

Charlotte Grünberg

21.7.1891 in Berlinchen
Deportation am 24.9.1942 nach Raasiku, ermordet

Georg Israelski

23.10.1898 in Dirschau
Festnahme durch die Gestapo am 27.5.1942, erschossen am 28.5.1942 im KZ Sachsenhausen

Margot Israelski, geb. Rosenthal

29.5.1905 in Stolp
Deportation am 19.6.1942 ins Ghetto Theresienstadt
Überlebte, nach der Befreiung Emigration in die USA

Gittel Josel

13.6.1942 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Hanna Josel, geb. Jüttner

16.8.1915 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Heinz Josel

16.2.1913 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, am 9.2.1943 ermordet

Paula Jüttner, geb. Abraham

16.6.1894 in Lobsens
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Theodor Jüttner

27.10.1886 in Kurnik
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Johanna Katz, geb. Kloß

1.1.1880 in Preußisch Stargard
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Leo Lewinsky

21.9.1902 in Fischhausen
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet am 10.02.1943

Rachel Lewinsky

11.2.1941 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Selma Lewinsky, geb. Schilobolski

22.6.1918 in Brinkendorf
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Rudi Neufeld

21.10.1914 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Senta Neufeld, geb. Jüttner

7.5.1920 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Anneliese Neumann

Flucht am 8.11.1938 nach Paraguay
Überlebte

Anni Neumann

15.1.1924
Flucht am 8.11.1938 nach Paraguay
Überlebte

Julius Neumann

Flucht am 8.11.1938 nach Paraguay
Überlebte

Marie Petranker

26.7.1924 in Berlin
Flucht am 2.8.1938 in die USA
Überlebte

Johanna Polajewer

18.7.1895 in Obornik
Flucht am 2.12.1939 nach Chile
Überlebte

Ruth Cäcilie Polajewer

12.2.1925 in Berlin
Flucht am 2.12.1939 nach Chile
Überlebte

Hadossa Rück, geb. Weinberger

31.7.1889 in Gorlice
Deportation am 27.11.1941 ins Ghetto Riga, ermordet im Wald von Rumbula am 30.11.1941

Moses Rück

29.9.1895 in Nowa Jastrzabka
Deportation am 27.11.1941 ins Ghetto Riga, ermordet im Wald von Rumbula am 30.11.1941

Benno Sieburth

12.2.1884 in Wrzesnia
Deportation am 12.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Else Sieburth, geb. Grünberg

26.2.1888 in Berlinchen
Deportation am 12.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Adolf Weinberg

15.4.1895 in Detern
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Dieter Wolf Dirk Weinberg

24.1.1933 in Jever
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Resi Weinberg, geb. Wolff

6.8.1902 in Wittmund
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Fanny (Feigel) Weisskirch, geb. Gottselig

1.12.1896 in Nowy Wiśnicz
Verbleib unbekannt

Heinrich Weisskirch

14.9.1927 in Berlin
Flucht nach Palästina
Überlebte

Josef Weisskirch

4.11.1890 in Nowy Wiśnicz
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Max Weisskirch

1.11.1923 in Berlin
Flucht nach Palästina
Überlebte

Frida Wolf, geb. Moor

2.1.1892
Flucht am 2.8.1938 in die USA
Überlebte

Josef Wolf

30.11.1892 in Tarnów
Flucht am 2.8.1938 in die USA
Überlebte

Siegbert Wolf

5.10.1927 in Berlin
Flucht am 2.8.1938 in die USA
Überlebte

Lajbus Zalcmann (Zalomon)

18.3.1902 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Rivka Zalcmann (Zalomon), geb. Fürst

7.9.1914 in Czanow
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet.

Zewi Zalcmann (Zalomon)

25.11.1941 in Berlin
Deportation am 29.1.1943 nach Auschwitz, ermordet

Hans Zlotnitzki

27.7.1909 in Berlin
Deportation am 26.2.1943 nach Auschwitz, ermordet

Irmgard Zlotnitzki, geb. Salomon

9.5.1916 in Berlin
Deportation am 26.2.1943 nach Auschwitz, ermordet