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Wandlitzstr. 13

Wandlitzstr. 13

Ehemals: Prinz-Heinrich-Straße 6, Lichtenberg
Das Haus in der heutigen Wandlitzstraße 13 ist ein typisches Vorstadt-Mietshaus. Zwei seiner insgesamt zehn Wohnungen dienten zwischen 1939 und 1945 als Zwangswohnungen. Insgesamt lebten hier 15 jüdische Mieter:innen.

Karlshorst entwickelte sich Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem beliebten Vorort Berlins. Das zweigeschossige Reihenhaus in der damaligen Prinz-Heinrich-Straße lag direkt an der Bahntrasse nach Frankfurt/Oder. Ab 1930 gehörte das Haus Valeska Levy, die hier mit ihrem Ehemann Max Levy lebte. Vor 1939 wohnten bereits sechs jüdische Personen im Haus. Nach 1939 zogen weitere neun Juden:Jüdinnen ein – vermutlich zwangsweise. Zehn jüdische Bewohner:innen wurden aus dem Haus deportiert. Nur eine von ihnen überlebte.

Wohnungen

Vorderhaus, 1. Obergeschoss

1.OG
Wohnung Levy

Valeska und Max Levy lebten in einer 6-Zimmer-Wohnung. Sie hatten nach 1939 mehrere Untermieter:innen in ihrer Wohnung. Im Oktober 1940 zog das Ehepaar Nanny und Max Wiener in zwei möblierte Zimmer ein. Am 1. Juni 1942 kamen Margot und Rudolf Nothenberg mit ihrem kleinen Sohn Gerd hinzu. Sie lebten in zwei weiteren Zimmern der Wohnung. Vermutlich war Margot Nothenberg, geb. Levy, mit Max Levy verwandt. Ein weiteres Zimmer bewohnte Margarete Goldstein. Sie und Nanny Wiener wohnten am längsten in der Wohnung. Am 1. März 1943 wurden beide Frauen nach Auschwitz deportiert. Etwa einen Monat nach ihrer Deportation beschädigte eine Bombe die Fenster der Wohnung. Da Margarete Goldsteins Zimmer noch versiegelt war, erkundigte sich der neue Besitzer des Hauses, Alfred Mätzner, ob er es betreten dürfe, um den Schaden zu begutachten.

„Das Zimmer der Untermieterin Goldstein ist verschlossen. Durch Bombenschaden ist das Fenster offen und eine Scheibe zerbrochen. Die Schlüssel habe ich im verschlossenen Umschlag. Das Zimmer ist nicht geräumt. (Auch Zimmer Wiener ist nicht geräumt). Darf ich es betreten?“

Max Wiener wohnte mit seiner Frau Nanny als Untermieter in der Wohnung von Valeska Levy, Aufnahmedatum und Fotograf:in unbekannt. Quelle: Yad Vashem, Hall of Names, Gedenkblatt für Max Wiener, ID: 14278225
Nanny Wiener war eine der letzten jüdischen Bewohner:innen der Wohnung Levy, Aufnahmedatum und Fotograf:in unbekannt. Quelle: Yad Vashem, Hall of Names, Gedenkblatt für Nanny Wiener, ID: 14206907
Wohnung Riegner/Charytan

Vermutlich war dies die Wohnung von Irmgard Riegner. Sie emigrierte Anfang 1940 nach Großbritannien. Bei der Wohnung handelte es sich um eine sogenannte Kochstube – eine kleine 1-Zimmer-Wohnung mit integrierter Küche. Ab März 1940 wohnte dort das Ehepaar Rahel und Leib Charytan. Im Jahr zuvor waren beide noch im 500 Kilometer entfernten Wilhelmshaven (Ostfriesland) gemeldet. Leib Charytan wurde vermutlich im Zuge der Novemberpogrome 1938 verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Einen Monat später wurde er wieder entlassen. Rahel Charytan wurde am 2. März 1943 nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Zehn Tage später wurde auch ihr Mann nach Auschwitz deportiert und dort am 19. Mai 1943 ermordet.

Restaurant und Café „Rheinischer-Hof“ in der Prinz-Heinrich-Straße/Ecke Treskowallee, 1934, Fotograf:in unbekannt. Quelle: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-09-03 Nr. 66-8267
Treskowallee mit Blick auf den Bahnhof Karlshorst, links im Bild die Einmündung in die Prinz-Heinrich-Straße, 1936, Fotograf:in unbekannt. Quelle: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-09-03 Nr. 66-2610
Treskowallee Ecke Prinz-Heinrich-Straße, 1934, Fotograf:in unbekannt. Quelle: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-09-03 Nr. 66-2608

Nachbarschaft

Im Bezirk Lichtenberg, zu dem der Ortsteil Karlshorst gehörte, wohnten vergleichsweise wenige jüdische Menschen. 1933 war nur knapp ein Prozent der Lichtenberger Bevölkerung jüdisch. In konkreten Zahlen waren das 2.208 Menschen. Bis Mai 1939 verringerte sich diese Anzahl auf 563 jüdische Menschen. Zum Beginn der Deportationen 1941 lebten nur noch 340 Juden:Jüdinnen in Lichtenberg.

Autorin

Johanna A. Kühne

In Gedenken an die jüdischen Bewohner:innen der Prinz-Heinrich-Straße 6

Leib Charytan

1.6.1889 in Zaleskawola
Deportation am 12.3.1943 nach Auschwitz, ermordet am 19.5.1943

Rahel Charytan, geb. Stelze

28.12.1889 in Antoniki
Deportation am 2.3.1943 nach Auschwitz, dort ermordet

Charlotte Freudenberg, geb. Lichtenstein

8.9.1897 in Berlin
Deportation am 29.11.1942 nach Auschwitz, dort ermordet

Margarete Goldstein

28.2.1902 in Neapel
Deportation am 1.3.1943 nach Auschwitz, dort ermordet

Max Levy

21.3.1874 in Friedebergschbruch (Zółwin)
Deportation am 3.10.1942 ins Ghetto Theresienstadt, umgekommen am 24.1.1943

Valeska Levy, geb. Lefebre

17.2.1876 in Falkenburg in Pommern (Złocieniec)
Deportation am 3.10.1942 ins Ghetto Theresienstadt
Überlebte

Gerd Nothenberg

21.12.1935 in Berlin
Deportation am 19.10.1942 ins Ghetto Riga, ermordet am 22.10.1942

Margot Nothenberg, geb. Levy

11.7.1911 in Berlin
Deportation am 19.10.1942 ins Ghetto Riga, ermordet am 22.10.1942

Rudolf Nothenberg

10.4.1903 in Berlin
Deportation am 19.10.1942 ins Ghetto Riga, ermordet am 22.10.1942

Irmgard Riegner

13.3.1918 in Berlin
1940 Flucht nach Großbritannien
Überlebte

Max Wiener

21.6.1882 in Ratibor
Deportation am 28.6.1943 nach Auschwitz, dort ermordet

Nanny Wiener, geb. Michalowski

11.4.1894 in Johannisburg
Deportation am 1.3.1943 nach Auschwitz, dort ermordet

Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg

Das Zimmer von Nanny Wiener wurde nach ihrer Deportation im Auftrag des Oberfinanzpräsidenten versiegelt. Welche Rolle dieser bei der Beschlagnahmung von jüdischem Eigentum spielte, wird hier erklärt.

Zum Kontext, Kapitel Akteure